-Zum Vermögensrecht der Sozialversicherung-
Ausgangspunkt sind neue Anlagerichtlinien für die Sozialversicherungsträger.
Der Beitrag befasst sich mit den Bestrebungen, die Risikomanagementsysteme der Sozialversicherungsträger, insbesondere deren Widerstandsfähigkeit gegenüber Finanzkrisen durch Regelwerke und Kontrolle als Reaktion auf die internationale Finanzkrise zu verbessern. In einer Sozialversicherungszweig übergreifenden Gesamtschau werden die durch die Träger, die Aufsichtsbehörden und nicht zuletzt durch den Bundesrechnungshof initiierten Anlagerichtlinien in ihrer unterschiedlichen Regelungsdichte und unterschiedlichen rechtlichen Verbindlichkeit dargestellt; es wird untersucht, inwieweit die Widerstandsfähigkeit der Träger gestärkt und den Grundsätzen des Vermögensrechts der Sozialversicherung für eine sichere, ertragsorientierte Geldanlage mit ausreichender Liquidität Rechnung getragen wird; ferner werden erforderliche Umsetzungsarbeiten durch die einzelnen Träger dargestellt.
- Als Reaktion auf die Finanzkrise, Risiken durch Regulierungen und Kontrollmechanismen zu begrenzen, und als Ausdruck der Politik des New Public Management sind den Sozialversicherungsträgern Anlagerichtlinien als Vorgaben vorgelegt, durch die die gesamte Vermögensanlage gesteuert sowie deren Ergebnisse dokumentiert und ausgewertet werden.
- Die Anlagerichtlinien konkretisieren für die RV, KV und UV nunmehr in unterschiedlicher Regelungsdichte und unterschiedlicher rechtlicher Verbindlichkeit die vermögensrechtlichen Vorschriften der §§ 80 ff SGB IV. Sie werden ergänzt durch Empfehlungen für die Mindestanforderungen an ein Finanzanlagemanagement von bundesnahen Einrichtungen des BMF sowie durch umfangreiche Richtlinien „Mindestanforderungen an das Risikomanagement für Versicherungsunternehmen (MaRisk VA)“ und „Hinweise zur Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen“ der BaFin.
- Adressaten der Anlagerichtlinien sind vier organisatorisch zu trennende Zuständigkeitsbereiche: Liquiditäts- und Anlagemanagements und des Geldhandels, Zahlungsverkehr, Anlagecontrolling sowie die Innenrevision.
- Die Anlagerichtlinien enthalten differenzierte Vorgaben hinsichtlich der Anlagearten, der Sicherheit der Anlagen, der Anlagezeiträume, der Durchführung der Geldanlage, deren Dokumentation, der Risikokontrolle und der Unterrichtung der Selbstverwaltung.
- Die Vorschriften zur Risikokontrolle erfordern eine Organisationseinheit „Risikokontrolle“ mit Bestimmungen zum Anlagecontrolling, die zweckmäßigerweise in den allgemeinen Controlling Bereich oder in die Finanzabteilung, etwa als Stab der Abteilungsleitung eingegliedert wird.
- Ob die Resilienz der Träger durch diese Richtlinien zusätzlich gestärkt wird, ist nicht zweifelsfrei.
- Das der Politik des New Public Management entsprechende Anlagecontrolling tritt hinter dem Gedanken der Kontrolle zurück. Dies erfordert eine Justierung der Kontrollaufgaben zwischen Anlagekontrolle und der Innenrevision.
- In der Praxis bedeutet das Regelungskonstrukt „Anlagerichtlinie“ eine fast inhaltsgleiche Doppelregelung; es wird geregelt, was geregelt werden soll, und zwar die von der DRV Bund bzw. von der Aufsichtsbehörde vorgegebene Grundsatzrichtlinie und zum anderen die von der Selbstverwaltung des Trägers zu formulierende trägerinterne Richtlinie. Eine regelungstechnische Vereinfachung kann durch dynamischen Verweis in der trägerinternen Richtlinie auf die Vorgabe erfolgen.
- Für den Gedanken der Selbstverwaltung und deren Finanzhoheit bedeutet dieses vom BRH und der Aufsicht vorgegebene bzw. stark induzierte Regelungskonstrukt eine Einschränkung. die aber in der Detaillierung nicht unproblematisch erscheint.
- Die Berichtspflicht an die Selbstverwaltung über die Anlage dürfte bisheriger Praxis entsprechen; neu könnte die Berichtspflicht über die Ergebnisse der Risikokontrolle sein.
- Bedenken begegnet die allgemeine Verweisung auf die umfangreichen Regelungen der BaFin für Versicherungsunternehmen. Es besteht die Gefahr, dass dieses verschachtelte Regelungskonstrukte keine klaren Vorgaben beinhalten und angesichts der unterschiedlichen Anlagekataloge (z.B. Aktien) und der unterschiedlichen Liquiditätsplanung (Kreditaufnahme) viele Grenzfragen offen lassen.
- Die Anlagerichtlinie konturiert recht detailliert die Arbeitsabläufe der im Liquiditäts- und Anlagemanagement Beschäftigten. Es besteht die stets mit zu starken Regulierungen einhergehende Gefahr, dass Engagement der Mitarbeiter blockiert wird und sich auf die Einhaltung der Regeln reduziert. Anderseits erleichtert eine für alle Träger vereinheitlichte Regelung der Mittelanlage deren Transparenz und deren Kontrolle und ist geeignet, durch die Auseinandersetzung mit den neuen Regelungen die Arbeitsabläufe zu vitalisieren.
Fundstelle: RVaktuell 2014, Seite 166ff.
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