– Contra Rotulus: privat oder öffentlich-rechtlich –
Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) obliegt die entlastungsorientierte Prüfung der Jahresrechnung der 146 gesetzlichen Krankenkassen mit Aufwandskonten in Höhe von rd. 175 Mrd. Euro nunmehr als neue sog. Vorbehaltsaufgabe Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern. Damit ergibt sich ab 1. Januar 2012 für Wirtschaftsprüfer ein neues Betätigungsfeld, das auch umfassende Beratungstätigkeiten auf der Grundlage der Kenntnisse der Rechnungsprüfung ermöglicht. Die Aufgaben der bisherigen internen Innenrevisionen sind neu zu justieren.Der Gesetzgeber hat schnell entschieden.
Der Aufsatz behandelt Einzelfragen und eine erste kritische Bewertung.
Ferner bestehen neue Publikationsverpflichtungen für die Krankenkassen.
Insgesamt ergeben sich folgende Thesen:
- Es wurde mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz in § 77 Absatz 1a SGB IV als neue sog. Vorbehaltsaufgabe für Wirtschaftsprüfer die Rechnungsprüfung der Krankenkassen eingefügt und die bisherigen Prüfschienen im Bereich Krankenversicherung wurden erweitert.
- Als Rotation des Prüfers in einem Zeitraum von fünf aufeinanderfolgenden Jahren soll nach Vorstellungen des BMG der Wechsel in der Person des Prüfers bei Beibehaltung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (interne Rotation) ausreichen; diese Auslegung wird mit dem Auslegungskriterien der historischen und systematischen Gesetzesinterpretation in Zweifel gezogen. Die Rotation wird von den Interessenvertretungen der Wirtschaftsprüfer unterschiedlich bewertet.
- Durch die kurz nach der Gesetzesveröffentlichung bereits zum 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Regelung steht für die externe Rechnungsprüfung in diesem Jahr nur wenig Zeit zur Verfügung, da der Auswahl des Wirtschaftsprüfers eine Ausschreibung vorauszugehen hat. Die angestrebte Qualitätsverbesserung dürfte im ersten Jahr des Gesetzes in Frage zu stellen sein.
- Wirtschaftsprüfer und Innenrevision müssen nunmehr im Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Prüfung unter dem Gesichtsprunkt der Wirtschaftlichkeit Kooperationen finden. Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement -MaRisk VA- der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Inkongruenz des Prüfungsumfangs fordern weiterhin eine funktionsfähige interne Revision, deren Beibehaltung durch die Neuregelung nicht ausgeschlossen wird.
- Die zulässige Kumulation von Prüfung und Beratung beim gleichen Mandanten, die sich wechselseitig ergänzen, ist auch bei den Verbänden der Wirtschaftsprüfer nicht unbestritten.
- Die auf die Krankenkassen entfallenden zusätzlichen Kosten „im niedrigen einstelligen Millionenbereich“ dürften sich faktisch erhöhen, wenn zusätzlich Beratungsverträge geschlossen werden.
- Das Gesetz bedarf angesichts der bereits kurz nach der Verkündung entstehenden Zweifelsfragen mittelfristig einer Evaluation, wobei auch der ordnungspolitische Kurs in der Alternative „Modellierung der öffentlich rechtlichen Körperschaften nach dem HGB oder etwa in Anlehnung an die bestehenden Prüfverbände in genossenschaftliche Ausgestaltung“ auf den Prüfstand zu stellen ist.
- Die Modifizierung der Verpflichtung der Krankenkassen zur Veröffentlichung der Jahresrechnungsergebnisse ab 1. Januar 2014 (§ 305 b SGB V) dürfte nicht nur als allgemeine Aufklärungsmaßnahme im Sinne des § 13 SGB I verstanden werden, sondern dürfte gleichzeitig auch als Instrument im Rahmen des Wettbewerbs um Mitglieder eingesetzt werden.
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Diese Fragen wurden in dem Aufsatz „Wirtschaftsprüfung in der öffentlichen Finanzwirtschaft“ vertieft.
Fundstelle : Kompass, Heft 2012 3/4