Dr. Gero-Falk Borrmann

Rechtsanwalt und Autor von Fachliteratur

Tag: New Public Management

Neuorganisation einer unabhängigen Rechnungsprüfung in der Rentenversicherung

Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage:  Wie kann die vom Bundesrechnungshof geforderte Umstrukturierung der Rechnungsprüfung in der Rentenversicherung unter Beachtung der Grundprinzipien der Sozialversicherung durchgeführt werden?

Unter Berücksichtigung eines gewandelten Verständnis der Rechnungsprüfung werden als Alternativen diskutiert:

  • externe Wirtschaftsprüfung
  • staatliche Rechnungsprüfung in einem Prüfverbund innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundesrechnungshof unabhängig von der Rechnungsprüfung im korporativen Entlastungsverfahren die Träger der Rentenversicherung prüft und somit zwei Prüfschienen bestehen.

Der Einsatz von Wirtschaftsprüfern entspricht der Politik des sog. New Public Management, d.h. gleiche Konzepte für Staat und Private zu nutzen, wobei die Unterschiede zwischen dem öffentlichen Sektor (Gesetzesvollzug) und dem privaten Sektor (gewinnorientierte Entfaltung der Privatautonomie) häufig vernachlässigt werden.
Die Wirtschaftsprüfung richtet insbesondere den „Blick von außen“ darauf, ob das Geld für die Stakeholder reicht. Die am HGB orientierte Wirtschaftsprüfung hat sich nicht darauf zu erstrecken, ob die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung zugesichert werden kann (§ 317 Abs. 4 a HGB).

Dagegen ist für die Prüfung im öffentlichen Sektor, ausgehend von der verfassungs-rechtlichen Vorgabe (Art. 114 GG), kennzeichnend, ob das Verwaltungshandeln wirtschaftlich (sog. Minimalprinzip) war und der Träger sorgsam mit den Beitragsmitteln umgegangen ist.

veröffentlicht in: RVaktuell 2018, 241.

EPSAS – neue europäische Rechnungslegung

Privatisierung der Budgethoheit durch eine europäische Hintertür 

Bestrebungen der EU, die Regeln über die Rechnungslegung für alle Mitgliedsstaaten zu vereinheitlichen, werden in der vorgesehenen Weise  kritisch gesehen. Die neuen Regeln sollen sich an den Internationalen Standards (sog. IPSAS) orientieren. Die Standards werden letztlich von einer privaten Organisation in New York (sog. EPSAS Board) formuliert werden. Anlass zu diesem Beitrag war ein offener Brief des Präsidenten des BRH an das IDW, in dem er eine Vereinnahmung der Normsetzung der Rechnungslegung durch die BIG4 im europäischen Raum ablehnt .  Als abschließende Stellungnahme führte der BRH aus:

Staatliche Handlungsfähigkeit erodiert, wenn mögliche Rechtsakte der Europäischen Union in nicht unerheblicher Weise von Unternehmen mit ausgestaltet werden, die sich darüber neue Märkte und Umsätze schaffen können.

In dem Beitrag werden die bisherigen nationalen und europäischen Einzelaktivitäten, insbesondere der BIG4, als Elemente einer Gesamtstrategie dargestellt. So haben Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und auch das IDW Rechnungsprüfung und Normsetzung übernommen, und zwar im Bereich der Sozialversicherung

– die Rechnungsprüfung als Vorbehaltsaufgabe der Wirtschaftsprüfer im Bereich der Krankenversicherung
sowie
– die Normsetzungsbefugnis für die Wirtschaftsprüfer in sog. Prüfungshinweisen des IDW, als Think Tank und Interessenvertretung der Wirtschaftsprüfer.

Parallel zur Prüfungsarbeit werben insbesondere die BIG4 bei Kostenträgern, wie Krankenkassen, Bundesagentur für Arbeit, Unfallversicherung sowie die Deutsche Rentenversicherung, um betriebswirtschaftliche Beratungsaufträge im Management- und im Strategiebereich sowie für ein sog. Compliance System einschl. Rechtsberatung. Die Leistungserbringer würde aber ebenfalls geprüft und beraten, wobei die Rechnungs-/Wirtschaftsprüfung als Ankergeschäft instrumentalisiert werden kann.

Mit der Gestaltung der Rechnungslegungsvorschriften in sehr verselbstständigten EU Gremien würde diese Gesamtstrategie in einem großen Schritt weitergeführt, dem dann im nächsten Schritt die Budgetvorschriften folgen können

RVaktuell 2018, S.119

Der Artikel ist unter dem Suchwort: Deutsche Rentenversicherung – RVaktuell 2018, Erscheinungsdatum 01.09.2018 abrufbar.

Die 18. Legislaturperiode – Spiegelungen der Politik in der Haushalts- und Vermögenswirtschaft der Sozialversicherung

Der Beitrag zeigt in einem Rückblick auf die abgelaufene 18. Legislaturperiode, wie Kernthemen der Politik die Novellierungen im Haushalts- und Vermögensrecht gestaltet haben. Ein Schwerpunkthema ist die seit Beginn des Jahrhunderts in Gang gesetzte politische Strategie, die Basis einer einheitlichen, auf dem Solidaritätsprinzip aufgebauten Sozialversicherung step by step zugunsten eines marktwirtschaftlichen Versicherungswesens zu verändern. Auf der Grundlage der bestehenden und der für die Zukunft prognostizierten Beitragssätze wird die Frage behandelt, ob die unter dem Stichwort „demografischer Wandel“ beschlossenen Gesetze als fürsorgliche Zukunftsorientierung der Entlastung künftiger Beitragszahler dienen oder vorrangig aktuelle Interessenpolitik umsetzen. Ferner werden neue ablauforganisatorische Haushaltsregelungen kritisch hinterfragt. Im Haushalt verdichtet sich die Politik in Zahlen.

Der Beitrag zeigt in einem Rückblick auf die abgelaufene 18. Legislaturperiode, wie Kernthemen der Politik die Novellierungen im Haushalts- und Vermögensrecht gestaltet haben. Ein Schwerpunkthema ist die seit Beginn des Jahrhunderts in Gang gesetzte politische Strategie, die Basis einer einheitlichen, auf dem Solidaritätsprinzip aufgebauten Sozialversicherung step by step zugunsten eines marktwirtschaftlichen Versicherungswesens zu verändern. Auf der Grundlage der bestehenden und der für die Zukunft prognostizierten Beitragssätze wird die Frage behandelt, ob die unter dem Stichwort „demografischer Wandel“ beschlossenen Gesetze als fürsorgliche Zukunftsorientierung der Entlastung künftiger Beitragszahler dienen oder vorrangig aktuelle Interessenpolitik umsetzen. Ferner werden neue ablauforganisatorische Haushaltsregelungen kritisch hinterfragt. Im Haushalt verdichtet sich die Politik in Zahlen.

RVaktuell 2018, 7 ff.

https://www.deutsche-rentenversicherung.de

Die Verwaltung der Sozialversicherungsträger im Spannungsfeld staatlicher und privater Dienstleistung

Seit dem Hartz Gutachten im Jahre 2003 wächst der Einfluss der New Public Policy in der gesamten Sozialversicherung. Der Beitrag erläutert diese Entwicklung, die zu strukturellen Veränderungen in der Sozialversicherung führt, an konkreten Beispielen und fordert den Leser auf, sich zu entscheiden, ob er diese Entwicklung bejaht oder – wie der Verfasser- ablehnt.

Die Rentenversicherung 2016, S. 105ff.

siehe auch: http://www.dierentenversicherungdigital.de/RV.04.2016.105

 

Vermögen der Sozialversicherung/Nullzinsen

Vermögen der Sozialversicherung in Zeiten von Nullzinsen und Finanzkrisen

worum geht es und was ist zu tun ?

Die Vermögenslage der Sozialversicherungsträger mit über 67 Mrd. € ist aktuell geprägt von den geldpolitischen Entscheidungen der EZB, durch die von der Finanzkrise ausgelösten Unsicherheiten auf

den Finanzmärkten sowie von den Bestrebungen, die Folgen demografischer Entwicklungen abzufedern. Der Beitrag bewertet aktuelle Fragestellungen in dem Gesamtkontext der Vermögenswirtschaft der

Sozialversicherung und untersucht Mitte der 18.Legislaturperiode Änderungsbedarf der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dabei werden mögliche Einflüsse der Politik des New Public Management

einerseits und Zentralisierungstendenzen in die unmittelbare Staatsverwaltung anderseits gewichtet.

in: Gesundheits- und Sozialpolitik 2015, Heft 5, S.55 ff

Mehr Resilienz und Sicherheit durch Regelwerke und Kontrolle

-Zum Vermögensrecht der Sozialversicherung-

Ausgangspunkt sind neue Anlagerichtlinien für die Sozialversicherungsträger.

Der Beitrag befasst sich mit den Bestrebungen, die Risikomanagementsysteme der Sozialversicherungsträger, insbesondere deren Widerstandsfähigkeit gegenüber Finanzkrisen durch Regelwerke und Kontrolle als Reaktion auf die internationale Finanzkrise zu verbessern. In einer Sozialversicherungszweig übergreifenden Gesamtschau werden die durch die Träger, die Aufsichtsbehörden und nicht zuletzt durch den Bundesrechnungshof initiierten Anlagerichtlinien in ihrer unterschiedlichen Regelungsdichte und unterschiedlichen rechtlichen Verbindlichkeit dargestellt; es wird untersucht, inwieweit die Widerstandsfähigkeit der Träger gestärkt und den Grundsätzen des Vermögensrechts der Sozialversicherung für eine sichere, ertragsorientierte Geldanlage mit ausreichender Liquidität Rechnung getragen wird; ferner werden erforderliche Umsetzungsarbeiten durch die einzelnen Träger dargestellt.

Zusammenfassung

  1. Als Reaktion auf die Finanzkrise, Risiken durch Regulierungen und Kontrollmechanismen zu begrenzen, und als Ausdruck der Politik des New Public Management sind den Sozialversicherungsträgern Anlagerichtlinien als Vorgaben vorgelegt, durch die die gesamte Vermögensanlage gesteuert sowie deren Ergebnisse dokumentiert und ausgewertet werden.
  2. Die Anlagerichtlinien konkretisieren für die RV, KV und UV nunmehr in unterschiedlicher Regelungsdichte und unterschiedlicher rechtlicher Verbindlichkeit die vermögensrechtlichen Vorschriften der §§ 80 ff SGB IV. Sie werden ergänzt durch Empfehlungen für die Mindestanforderungen an ein Finanzanlagemanagement von bundesnahen Einrichtungen des BMF sowie durch umfangreiche Richtlinien „Mindestanforderungen an das Risikomanagement für Versicherungsunternehmen (MaRisk VA)“ und „Hinweise zur Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen“ der BaFin.
  3. Adressaten der Anlagerichtlinien sind vier organisatorisch zu trennende Zuständigkeitsbereiche: Liquiditäts- und Anlagemanagements und des Geldhandels, Zahlungsverkehr, Anlagecontrolling sowie die Innenrevision.
  4. Die Anlagerichtlinien enthalten differenzierte Vorgaben hinsichtlich der Anlagearten, der Sicherheit der Anlagen, der Anlagezeiträume, der Durchführung der Geldanlage, deren Dokumentation, der Risikokontrolle und der Unterrichtung der Selbstverwaltung.
  5. Die Vorschriften zur Risikokontrolle erfordern eine Organisationseinheit „Risikokontrolle“ mit Bestimmungen zum Anlagecontrolling, die zweckmäßigerweise in den allgemeinen Controlling Bereich oder in die Finanzabteilung, etwa als Stab der Abteilungsleitung eingegliedert wird.
  6. Ob die Resilienz der Träger durch diese Richtlinien zusätzlich gestärkt wird, ist nicht zweifelsfrei.
  7. Das der Politik des New Public Management entsprechende Anlagecontrolling tritt hinter dem Gedanken der Kontrolle zurück. Dies erfordert eine Justierung der Kontrollaufgaben zwischen Anlagekontrolle und der Innenrevision.
  8. In der Praxis bedeutet das Regelungskonstrukt „Anlagerichtlinie“ eine fast inhaltsgleiche Doppelregelung; es wird geregelt, was geregelt werden soll, und zwar die von der DRV Bund bzw. von der Aufsichtsbehörde vorgegebene Grundsatzrichtlinie und zum anderen die von der Selbstverwaltung des Trägers zu formulierende trägerinterne Richtlinie. Eine regelungstechnische Vereinfachung kann durch dynamischen Verweis in der trägerinternen Richtlinie auf die Vorgabe erfolgen.
  9. Für den Gedanken der Selbstverwaltung und deren Finanzhoheit bedeutet dieses vom BRH und der Aufsicht vorgegebene bzw. stark induzierte Regelungskonstrukt eine Einschränkung. die aber in der Detaillierung nicht unproblematisch erscheint.
  10. Die Berichtspflicht an die Selbstverwaltung über die Anlage dürfte bisheriger Praxis entsprechen; neu könnte die Berichtspflicht über die Ergebnisse der Risikokontrolle sein.
  11. Bedenken begegnet die allgemeine Verweisung auf die umfangreichen Regelungen der BaFin für Versicherungsunternehmen. Es besteht die Gefahr, dass dieses verschachtelte Regelungskonstrukte keine klaren Vorgaben beinhalten und angesichts der unterschiedlichen Anlagekataloge (z.B. Aktien) und der unterschiedlichen Liquiditätsplanung (Kreditaufnahme) viele Grenzfragen offen lassen.
  12. Die Anlagerichtlinie konturiert recht detailliert die Arbeitsabläufe der im Liquiditäts- und Anlagemanagement Beschäftigten. Es besteht die stets mit zu starken Regulierungen einhergehende Gefahr, dass Engagement der Mitarbeiter blockiert wird und sich auf die Einhaltung der Regeln reduziert. Anderseits erleichtert eine für alle Träger vereinheitlichte Regelung der Mittelanlage deren Transparenz und deren Kontrolle und ist geeignet, durch die Auseinandersetzung mit den neuen Regelungen die Arbeitsabläufe zu vitalisieren.

Fundstelle: RVaktuell 2014, Seite 166ff.